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Zufriedenheit

Zufriedenheit

„Danke, ich bin zufrieden.”

Diesen Satz – oft mit Seufzer – höre ich so manches Mal auf die Frage: „Wie geht es dir?”

Und so oft frage ich mich dann, was meint die Antwort: „Danke, ich bin zufrieden?“

„Danke, ich kann sowieso nichts ändern”?
„Danke, man muss ja zufrieden sein”?
„Danke, ich muss es nehmen, wie es kommt”?

Gibt es Zufriedenheit? Darf man jemals zufrieden sein? Ist das, was so mancher mit Zufriedenheit meint, nicht mitunter nur Resignation, stilles Ertragen des Geschehens?

Wenn ich zufrieden in meinem Beruf bin, ist dann nicht ein Punkt erreicht, der eine Weiterentwicklung, eine Veränderung ausschließt?

Was ist mit meinem Wissensstand? Wenn ich zufrieden bin – was kommt dann noch?

Nehme ich an der Fortentwicklung noch teil, oder entwickelt sich das Leben dann von mir fort? Junge Menschen, die schon kurz nach der Ausbildung mit dem Erreichten zufrieden sind, die so cool „abhängen“ und zu nichts zu motivieren sind – wirken sie nicht oft träger und phlegmatischer als so manche 70zig Jährige, die noch Ziele vor Augen hat?

 

Freimaurerei ermutigt den Menschen zur Überprüfung des eigenen Denkens und Handelns zu seinem eigenen Wohle aber vor allem auch zum Wohle der menschlichen Gemeinschaft, der Welt und der Natur, in der wir leben. Diese Persönlichkeitsbildung nennen wir Arbeit an uns selbst.

Diese Gesinnungsprüfung, der stete Blick auf den Ist-Zustand dient als Motivator, sie lässt Zufriedenheit im Sinne von „genug“ nie zu. Die Idee der Freimaurerei ist eine Herzens- und Geistesbildung, die den Menschen hinzulernen lässt, ein Leben lang! Heute mehr zu sein, als gestern, immer mehr zu werden und zu sein als nur ein Bruchstück seiner eigenen Möglichkeiten.

Wer arbeitet, bekommt dafür eine Belohnung: es kann eine pekuniäre Belohnung oder eine kleine Anerkennung sein, ein herzliches Dankeschön, oder auch das Glück, etwas fertig Gestelltes vor Augen zu haben.

Aber Persönlichkeitsbildung, Herzensbildung, Geistesbildung? Wie belohnt man die? Wie entlohnt seine eigene Erziehung zu verantwortlichem Denken und Handeln?

Die Belohnung einer Freimaurerin ist die Zufriedenheit darüber,

  • sich zu engagieren und
  • ihr Leben in den Dienst der Humanität zu stellen,
  • eine Haltung einzunehmen, die ein Selbst-Bewusstsein voraussetzt,
  • aus Wissen mitunter Weisheit werden zu lassen,
  • aus Stärke die Kraft, sich selbst und die eigenen Grenzen zu überwinden.

 

„Der höchste Genuss besteht in der Zufriedenheit mit sich selbst“,

sagte Jean Jacques Rousseau.

 Was aber geschieht, wenn Zufriedenheit uns Menschen satt, bequem macht, unaufmerksam werden lässt? Wie sieht es dann mit dieser Persönlichkeitsentwicklung und mit dem eigenen Lebensplan aus?

Augustinus von Hippo, der große Philosoph, Rhetoriker und Kirchenlehrer sagte:

Sei stets unzufrieden mit dem, was du bist,
wenn du erreichen willst, was du noch nicht bist.
Denn wo du mit dir zufrieden bist,
dort bleibst du im Rückstand.

Sobald du aber sagst, es genügt, bist du sogar verloren.
Füge stets hinzu, laufe immerzu, mache ständig Fortschritte,
bewege dich nicht rückwärts, weiche nicht vom Weg ab.
Besser geht man als Lahmer auf dem Weg,
denn als Läufer auf dem Abweg.

Und der Großvater Käthe Kollwitz’, Julius Rupp – auch er war Freimaurer – hielt seine begabte Enkelin an, nach seinem Wahlspruch zu leben: „Eine Gabe ist eine Aufgabe“.

Ist der Mensch sich seiner Gaben, seiner Fähigkeiten, sich seiner selbst  bewusst und weiß er diese Gaben herauszuarbeiten und zu nutzen, seine Talente als seine Aufgaben, vielleicht seine Lebensaufgaben zu verstehen, wird er eine tiefe Zufriedenheit in seiner Weiterentwicklung erleben.

Aber: Wenn mir bewusst wird, dass ich manche der mir gesteckten Ziele noch nicht erreicht habe – und mich die Weisheit einholt, sie vielleicht auch nicht mehr erreichen zu können, vielleicht weil ich inzwischen zu alt bin – soll ich dann immer unzufrieden sein?

Soll ich unzufrieden sein mit dem, was ich erreicht, was ich gelebt habe, nur weil es vielleicht – aus Gründen, die ich nicht ändern kann – Ziele gibt, die für mich unerreichbar wurden?

Das hieße auch, sich von äußeren Einflüssen jagen zu lassen, sich gänzlich zu überschätzen oder Ansprüchen gerecht werden zu müssen, die andere an mich stellen und die ich aber vielleicht nie erfüllen kann.

Immer unzufrieden sein bedeutet auch, nie zu empfinden, dass man auf dem rechten Weg ist. Es weist auch darauf hin, sich seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten nicht bewusst zu sein, sich zu überschätzen oder zu unterschätzen, sich selbst nicht zu kennen, nicht zu wissen, welche Talente, welche Gaben und welche Kräfte tatsächlich in einem stecken.

Immer neuen Zielen nachjagen, nie das Gefühl zu haben, jemals auch nur bei einem Zwischenziel anzukommen, das macht Menschen sehr unzufrieden.

 

Sind unzufriedene Menschen nicht schwierige Zeitgenossen?

Sind diese Menschen mit sich unzufrieden?

In der Regel sind sie unzufrieden, wenn sie dem Vergleich mit anderen nicht standzuhalten glauben. Wer seinen Fokus immer nur auf das richtet, was er/sie nicht hat aber haben will, wo man „zu kurz gekommen“ ist, wer immer unzufrieden auf seine Lebensumstände blickt, weil

  • einem das eigene Auto zu unbedeutend vorkommt,
  • der Job in der Firma oder
  • vielleicht auch mein Amt im Verein mir nicht angemessen scheint,
  • einem die Wohnung zu klein ist,
  • die Kleidung nicht modern, weil nicht mit Markennamen geschmückt,
  • die Schicksalsschläge des eigenen Lebens mich härter zu treffen scheinen, als sie meinem Nachbarn widerfahren,

dann ist es ein Gefühl der Unzufriedenheit, das in einem hoch steigt. Aber in diesem Fall ist es nicht Unzufriedenheit sondern „Neid“.

 

„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“,

schrieb der Philosoph Søren Kierkegaard.

Aber ist dieses Gefühl der Unzufriedenheit, des Neides, nicht das Ergebnis mangelnder Reflexion über sich und seine Umgebung?

  • Kenne ich die Lebensumstände und die Betroffenheit meines Nachbarn so gut, dass ich beurteilen kann, wie das Leben mit ihm umgeht? – Niemals!
  • Muss der Kollege, der statt meiner den Job in der Firma bekommen hat, nicht auch viel mehr leisten und auf viel mehr verzichten als ich?

Neid lässt einen nur seine Umgebung betrachten, aber man reflektiert nicht sich selbst. Dabei können einige wenige Gedanken über die eigene Unzufriedenheit so heilsam sein….

  • Wie unbedeutend erscheint mir das luxuriöse Auto, vergleiche ich es mit dem Glück, gesund zu sein.
  • Ich wollte nicht Schlossherrin sein und dafür das beglückende Gefühl missen, Mutter von Kindern zu sein, die mich lieben.
  • Auch wenn das Leben einen in den letzten Jahren nicht sanft geküsst hat – wäre ich wirklich zufriedener, wenn ich die Möglichkeit hätte, das eigene, manchmal als ungerecht empfundene Schicksal, mit dem meines Nachbarn neben mir, eintauschen zu können?

 

Zufriedenheit kann sich immer nur auf mich selbst beziehen, auf mein Handeln, auf meine Werteskala, auf mein eigenes Maß. Ich kann nicht das Leben meines Nachbarn leben. Ich habe die Aufgabe, mein Leben zu leben. Mit mir selbst soll ich zufrieden sein, nicht mit der Lebensweise eines anderen.

 

Macht materielles Gut, macht uns Geld zufrieden?

Wie getrieben müssen Menschen sein, die sich der Mode völlig unterworfen haben, um „IN“ zu sein und sich nur mit den neuesten Trends umgeben können, sich über Mode, den flachsten Laptop, das aktuelle Handy oder das neueste Automodel definieren?

Dem Fetisch Mode oder Technik unterworfen, um letztendlich nie zufrieden sein zu können, weil die Mode und die Technik so kurzlebig sind, wie der Wille, sie zu besitzen – um sie anderen zu zeigen. Ändert sich die Mode, ändert sich der Wille, – der eigene Geschmack ist schon längst gestorben.

 

Zufriedenheit betrachtet nicht das HABEN – nur das SEIN.

 

Denn das HABEN fordert immer das Mehr-haben-wollen und fördert damit eine stets wachsende Unzufriedenheit. Wenn aber das SEIN ein Mehr-sein-wollen im Sinne von „mehr-Persönlichkeit-sein-wollen“ bewirkt, wächst der Mensch von innen heraus.

 

Auch John Ruskin griff diese Idee auf, als er sagte:

„Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das,
was wir dafür bekommen, sondern das, was wir dadurch werden.“

Jede an uns gestellt Aufgabe, jedes Glück und jedes Leid lässt uns WERDEN.

 

Zufriedenheit ist möglich!

Ich empfinde sie aber nur dann, wenn ich selbst etwas geschaffen, erdacht, getan habe, wenn ich über mich selber hinausgewachsen bin, meine eigenen Grenzen überwunden habe, wenn ich etwas gewagt habe, vor dem ich mich bisher fürchtete. Zufriedenheit kann ich nicht durch die Leistung eines anderen erlangen. Für meine Zufriedenheit bin alleine ich verantwortlich.

Im Wort Zufriedenheit finden wir das Wort FRIEDEN wieder.

Und genau dieses Wort FRIEDEN ist der Dreh- und Angelpunkt meiner Gedanken. Hier findet sich die Auflösung. Bin ich zufrieden, habe ich Frieden mit mir selbst geschlossen, bin ich im Einklang mit mir und meinen Möglichkeiten. Nur wer mit sich im Frieden ist, kann auch im Frieden mit anderen leben. Der Frieden fängt bei mir selbst an, von mir muss er ausgehen – nicht von meinem Nachbarn.

Und an dieser Stelle schließe ich wieder meine Betrachtung zur Freimaurerei an. Indem der Bund der Freimaurer von seinen Mitgliedern fordert,

  • an sich zu arbeiten, um tiefere Einsichten und Weitsichten zu erlangen
  • hinzuzulernen, und zwar ein Leben lang,
  • offen zu sein für Andersdenkende und
  • mit ihnen und ihren Ansichten respektvoll umzugehen
  • die eigenen Interessen unterordnen zu können,

sorgt Freimaurerei für das Gefühl der Zufriedenheit des Einzelnen und trägt zum Frieden in der Welt bei. Unser Bund ist eine Lebensschule.

Ist ein Mensch unzufrieden, lässt er dies andere spüren, stachelt sie auf und steckt sie mit seiner Unzufriedenheit an. Ändern wird das an der eigenen Unzufriedenheit aber nichts.

Wer mit sich im Frieden ist, von dem geht auch Frieden aus.

Mehr Weisheit, mehr Wissen und Können, mehr Wollen formen den Menschen und bringen ihn dem näher, „was die Welt im Innersten zusammenhält.“(Goethe, Faust)

Zufriedenheit fordert mich, ist eine permanente Aufgabe. Zufriedenheit schenkt mir dann inneren Frieden – wenn ich mich auf die Forderungen des Lebens einlassen kann.

 

Und noch ein letzter Gedanke:

Immer wieder erleben wir, wie lange manche Menschen mit dem Tod ringen, wie lange sie nicht sterben, sie nicht durch das letzte Tor gehen können, weil sie nicht mit sich im Frieden sind.

Zufriedenheit braucht man zum Leben und um Sterben zu können.