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Verschwörungstheorien

 

 Verschwörungstheorien beschäftigen die Menschen seit Jahrhunderten und besonders in den letzten Jahren scheinen sie so eklatant wichtig, dass sich beinah monatlich TV-Sendungen damit auseinandersetzen und dem Thema im Museum Dalheim bei Paderborn eine eigene Ausstellung gewidmet wurde. Grund genug, dass auch wir uns in der Loge diesem Thema stellen.

 

Wie sicherlich für die meisten meiner Schwestern und Brüder ist der Begriff „Verschwörung“ auch für mich als Freimaurerin kein Fremdwort. Den Gästen, den Suchenden, begegnet da schon im Vorfeld der Aufnahme in den Bund der Freimaurer so Einiges. Was wird der Freimaurerei nicht alles nachgesagt: Vom Jungfernopfer bis zum Selbstmord der Bürgen ist alles dabei – auch die geheimen Oberen, die die Weltherrschaft übernehmen wollen, sowieso der Pakt mit dem Teufel – u.v.m. wird immer wieder kolportiert.

Vor allem persönliche Erfahrungen und persönliche Meinungen beeinflussen, welche Information eine Person als Unwahrheit oder Lüge abtut und welche sie als glaubwürdig ansieht. Doch wie deckt man solche Unwahrheiten, die auf Überzeugungen beruhen, auf?

Fakten allein richten gegen Überzeugungen herzlich wenig aus. Um Trugschlüssen entgegenzuwirken, muss man zuerst verstehen, wie diese entstehen. Im Zeitalter der »alternativen« Fakten, die sich wie Wahrheiten anfühlen und sich über das Internet rasend schnell verbreiten, ist dies besonders wichtig. (siehe Spektrum.de: Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien). Als Summe aller möglicher Definitionen sind Verschwörungstheorien für mich kaum greifbare und oft nur schwer widerlegbare Behauptungen, die Fakten, also Wirklichkeiten, Realitäten, mit Erfundenem oder Empfundenen vermischen. Beides, das Erfundene und das Empfundene, wird dabei sehr überzeugend als Tatsache hingestellt.

Oft genügt es, dieselbe Behauptung dreimal auf verschiedenen Kanälen zu äußern oder auch nur einmal in den sogenannten „sozialen Medien“ mit seinen hunderten „vermeidlichen Freunden“ zu teilen.

Das reicht, um Meinungsbilder zu beeinflussen und dem Erfundenen den Anschein von Wahrheit zu geben, weil durch Wiederholung suggeriert wird, dass etwas schon immer so war – und damit real ist. Man setzt dabei gezielt auf Herdenverhalten: Was viele tun, sagen oder glauben, muss doch stimmen. Ein Blick ins Internet fördert hunderte weitere Verschwörungstheorien zutage. Auch wer nicht an sie glaubt, kennt viele von ihnen. Die inhaltliche Absurdität einiger täuscht darüber hinweg, dass Verschwörungstheorien ein Massenphänomen sind, nicht nur das Reservat skurriler „Spinner“. Manche Forscher meinen, Verschwörungstheorien gehören schon immer zum Wesenszug des Menschen, andere siedeln ihre Entstehung in der frühen Neuzeit bzw. im Zeitalter der franz. Revolution an.

Allerdings bemerkt man einen Wandel in ihren Strukturen – und das fand ich sehr spannend. Während laut dem Historiker Wippermann frühe Verschwörungstheorien hauptsächlich „religiösen“ bzw. „diabolischen“ Inhalts gewesen sind – Pakt mit dem Teufel, Hostienfrevel, Blasphemie -, rücken seit dem Zeitalter der Aufklärung vermehrt politische Verschwörungstheorien mit menschlichen Protagonisten in den Vordergrund und damit Themen wie Herrschaft, politische und materielle Macht.

Dank dieser Manipulationsfunktion lassen sich alle negativen Vorkommnisse einem jeweiligen Feindbild zuschreiben. Die angebliche Verschwörung dient als Legitimationsinstrument zur Durchführung von Maßnahmen gegen die vermeintlichen Verschwörer. (Museumskatalog Kloster Dalheim) Das Misstrauen zwischen zwei Gruppierungen ist der Anfang jeder Verschwörungstheorie. Oft vermutet die eine Gruppe, die andere habe sich gegen die erste verschworen, um ihr zu schaden. Verschwörungsglaube unterstellt immer, die anderen seien böse, mächtig oder verschlagen. Der Gegner wird dämonisiert – besonders der politisch oder religiös Andersdenkende.

In der heutigen Zeit scheinen alle Mittel recht, dem politisch Andersdenkenden Schaden zufügen zu können. Nährboden für Verschwörungstheorien sind Gruppierungen, die im Geheimen agieren und von denen scheinbar niemand weiß, was genau sie tun. Katastrophen, die irgendwo in der Welt passieren, die Menschen sich nicht erklären können, werden umgedeutet und mit einer Verschwörungstheorie in Verbindung gebracht.

Wer ist anfällig für Verschwörungstheorien? Nach allem, was ich gelesen habe, glaube ich, dass alle Menschen empfänglich sind – vor allem, wenn sie nicht wachsam sind mit dem, was sie glauben und was sie verbreiten wollen. Anfällig scheinen aber vor allem Menschen mit einem oft simplen Weltbild, das einer einfachen Einteilung in Gut und Böse, schwarz und weiß folgt. Mangelnde Bildung und Angst um den Status Quo sind Nährboden für viele Verschwörungstheorien. Andererseits wird genau das von den Verbreitern der Theorien genutzt.

Wissend, dass eine breite Mehrheit der Menschen mit dem Bauch und nicht mit dem Kopf denkt, brauchen oft nur simple Behauptungen geäußert werden, die in Windeseile zum Selbstläufer werden:

  • Alle Nordafrikaner sind Vergewaltiger, alle Afghanen handeln mit Rauschgift,
  • alle Flüchtlinge wollen nur auf unsere Kosten leben,
  • wir brauchen einen Zaun, um uns vor Fremden zu schützen, die in unser schönes und vertrautes Land einwandern wollen, um es zu verändern und uns fremde Lebensweisen aufzudrängen.

Ich habe den Eindruck, dass sich bildungsferne Schichten gepaart mit fanatisch-religiösem Weltsichten und/oder politisch extremen Positionen leichter manipulieren lassen und damit auch offener für Verschwörungstheorien sind.

Diese Vermutung fand ich auch bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg bestätigt. Hinter allem, was nicht einfach erklärbar ist, wird eine Verschwörung vermutet. Das ist eine bequeme Lösung und fordert keine Veränderung der Sichtweise, keine Anstrengung, sich um Fakten zu bemühen.