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Wie wichtig sind Rituale heute?

Wir leben in einer unberechenbaren Zeit, in der Rituale immer wichtiger werden.

Nichts – oder fast nichts ist morgen so, wie es gestern noch war. Veränderungen vollziehen sich immer schneller, heute neu Geschaffenes ist übermorgen veraltet. Das erleben wir täglich nicht nur in der Mode, der Technik und bei der Nutzung der Computer, nein, auch in der Medizin, in der Wissenschaft überholen neue Erkenntnisse die Regeln von gestern. Auch Staatsgebilde verändern sich in kürzester Zeit. Kriege überall auf der Welt reißen die Menschen aus ihrem gewohnten Leben, lassen sie leiden, flüchten.
Und dies passiert in einer Geschwindigkeit, die viele nicht verkraften. Sie halten den stetigen Wechsel und die damit verbundenen Gefahren und Veränderungen nicht aus, ziehen sich zurück, auch um sich selbst zu schützen oder sie suchen Halt in Dingen, die für sie berechenbar sind, die sich nicht schneller ändern, als sie es aushalten können. In einer Zeit, in der nichts von Dauer, alles im immer schnelleren Wandel zu sein scheint, unberechenbar für die meisten Menschen, genau da sind ritualisierte Abläufe überlebenswichtig.

Kinder lehren uns Erwachsene, ritualisierte Handlungen zu vollziehen oder sie bewusst wahrzunehmen. Für Kinder sind Beständigkeit, Wiederholung des Vertrauten, Berechenbarkeit unglaublich wichtig. Ritualisierte Handlungen, beginnen bei den ganz Kleinen und begleiten uns auch später als Erwachsene. Durch ritualisierte Handlungen zieht man sich in eine vertraute, berechenbare Welt zurück. Dort hat alles eine Ordnung.

An dieser Stelle ist es wichtig, zwischen ritualisierten Handlungen und Ritualen zu unterscheiden. Ritualisierte Handlungen sind Gewohnheiten, Lebensabläufe. Rituale unterliegen festen Gesetzmäßigkeiten. Sie können ganz unterschiedlich sein und an ganz unterschiedlichen Orten abgehalten werden.

Ein Ritual beabsichtigt immer Wirkung auf denjenigen, der Teil des Rituals ist. Diese „Wirkung“ zielt auf einen Zugewinn ab: Einen Zugewinn an Erkenntnis, an innerer Ruhe, Gelassenheit, an Stärke usw… Zu einem Ritual gehören ein Ortswechsel in einen speziell für das Ritual hergerichteten Raum und ein festgelegter Zeitabschnitt, in dem das Ritual vollzogen wird.

Rituale können zum Beispiel sein: Die in unterschiedlichen Religionen praktizierten festen rituellen Gefüge, wie Totenzeremonien, Hochzeitsrituale usw…
Es gibt Aufnahmerituale in die Welt der Erwachsenen, Fruchtbarkeitsrituale, Abschieds-rituale oder eben auch freimaurerische Rituale. Sie alle bewirken einen Veränderungs-prozess bei den Teilnehmern – Veränderung durch Erkenntnis, durch Reflektion, durch Veränderung der Lebensbedingungen, der Zugehörigkeit.

Das freimaurerische Ritual vermittelt die Idee einer Welt mit humanistischen Werten und ethische Prinzipien. Es kann Mittel zur Erweiterung des Denkens und Fühlens sein und zur Überprüfung der Gesinnung dienen. Das Ritual bildet und formt den Menschen, es ist Anleitung für das Leben, es erklärt in Worten und Symbolen und es ist ein Schlüssel zum Verständnis der Zusammenhänge in der Welt. Das freimaurerische Ritual steht nicht als ein Fixpunkt im ewig Gestrigen, es regt an, aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen und damit Zukunft menschenwürdig zu gestalten.

Gerhard O. Müller sagt in einem seiner Vorträge zum freimaurerischen Ritual:                       “ … das Ritual trägt bei zur Reife der Persönlichkeit. Mit der Bejahung menschlicher Beziehung und in der Wechselwirkung des Gedankenaustausches ist das Ritual ein Beitrag zur Erziehung des Menschengeschlechts.“
M.G.